Bremerhaven erlebt gerade eine in der Nachkriegsgeschichte der Stadt einmalige Situation. Der kommunale Haushalt wurde nicht genehmigt. Dies ist der vorläufige Endpunkt einer Entwicklung der letzten Jahre, die sich im Kern so zusammenfassen lässt: Die Koalition aus SPD, CDU und FDP hat in den letzten Legislaturperioden nie zu einer verantwortungsbewussten Haushaltpolitik gefunden, die dem Ernst der Lage Bremerhavens gerecht wurde. Was jetzt auf uns zukommt hat zwei zentrale Gründe:
- Einen allgemeinen: Die chronische Unterfinanzierung der Kommunen, vor allem armer Kommunen wie Bremerhaven.
- Eine verantwortungslose Haushaltspolitik von SPD, CDU und FDP in Bremerhaven, die lieber Prestigeprojekte und parteipolitische Vorteile sichern als schwierige Entscheidungen zum langfristigen Wohl der Stadt zu treffen.
Diese Form der Politik darf so nicht weitergehen. Dafür muss die aktuelle Lage – und damit auch die politische Verantwortung der Koalition – klar benannt werden:
Haushalt 2024:
Die Koalition aus SPD, CDU und FDP hat ihren ersten Haushalt 2024 mit deutlich zu niedrigen Ansätzen im Sozialbereich und sehr hohen globalen Minderausgaben, die im Haushaltsvollzug unmöglich aufgelöst werden konnten, einen Haushalt vorgelegt, der nur unter einschneidenden Auflagen genehmigt wurde. Das haben wir GRÜNE + P in der Stadtverordnetenversammlung sachlich kritisiert und mussten uns dafür vom Kämmerer im Sommer 2024 als „inkompetent“ beschimpfen lassen. Am Ende des Jahres 2024 stand ein Fehlbetrag von gut 50 Millionen Euro in der kommunalen Kasse, also gut 5% des Haushaltsvolumens. Diesen Betrag reduzierte die Koalition noch auf 30 Millionen, indem sie alles an Rücklagen auflöste, was möglich war. Diese 30 Millionen liegen nun als zusätzlicher Ballast auf den Haushalten 2025 oder 2026.
Der Haushalt 2024 war der erste Haushalt, den SPD, CDU und FDP nach der Wahl im Mai 2023 aufgestellt hat. Der vorherige Doppelhaushalt 2022/23 war im Dezember 2021 verabschiedet worden. Im Vergleich zum vorherigen Haushalt hat die Koalition 2024 rund 100 zusätzliche Beamtenstellen und ca. 430 zusätzliche Beschäftigten-Stellen geschaffen, von denen ca. 100 ganz oder teilweise über Drittmittel abgedeckt sind. Von den zusätzlichen 100 Beamtenstellen entfallen ca. 50 auf die Polizei und 35 auf Lehrkräfte. Von den 100 neuen Beamtenstellen werden also 85 vom Land finanziert. Von den 430 neuen nicht verbeamteten Beschäftigten entfallen 6 auf die Polizei und 10 auf die Schulen. Also sind hier ca. 415 Neuschaffungen in der kommunalen Verantwortung. Wenn man von diesen die 100 zumindest teilweise über Drittmittel finanzierten Stellen abzieht, bleiben immer noch ca. 315 neue Stellen in der sogenannten übrigen Verwaltung (nicht Polizei und Schulen), die die Stadt finanzieren muss, was auf einen deutlichen zweistelligen Millionenbetrag jedes Jahr hinausläuft
Damit zeigte bereits der Haushalt 2024, dass der strukturelle und damit dauerhafte Anstieg der Ausgaben (v.a. der Personalkosten) den Bremerhavener Haushalt überfordern wird.
Haushalt 2025:
Mit dem Haushalt 2025 haben SPD, CDU und FDP dann diesen haushaltspolitisch gefährlichen Weg gegen alle Mahnungen derart dreist fortgesetzt, dass erstmals überhaupt der kommunale Haushalt von der Landesaufsichtsbehörde, dem Senator für Finanzen, nicht genehmigt wurde – ein einmaliges Ereignis. Dabei hat der Bremer Finanzsenator die volle Rückendeckung des Bremer Senats, allen voran von Bürgermeister Bovenschulte (SPD). Bremen hat sich u.a. daran gestört, dass Bremerhaven die Auflagen des Senats zum Haushalt 2024 zum Teil ignoriert hat. Vor allem aber ging es um gut 40 Millionen Euro an zusätzlichen Bremischen Zuweisungen, die als Einnahmen in den Bremerhavener Haushalt 2025 eingestellt wurden, ohne dies vorab mit Bremen verhandelt zu haben.
Als Folge dieses Vorgehens drohte Bremerhaven kurzfristig die Zahlungsunfähigkeit, die durch ein Vorziehen von vereinbarten Zahlungen aus Bremen inzwischen abgewendet worden ist. Die nun anstehenden Verhandlungen zwischen Land und Stadt werden zu drastischen Personaleinsparungen führen. Zusätzlich drohen Einschnitte in die Bremerhavener Haushaltshoheit in Art und Umfang, die in der Seestadt bislang undenkbar waren.
Klar ist, dass SPD, CDU und FDP aktuell nicht mehr dazu in der Lage sind, aus eigener politischer Kraft einen rechtlich genehmigungsfähigen Haushalt aufzustellen. Dabei sind in den Zahlen für 2025 noch nicht einmal weitere langfristige Haushaltsbelastungen enthalten, die in den kommenden Jahren noch auf die Stadt zukommen werden, u.a. aus der Rückzahlung der Corona-Kredite der Jahre 2021-2024, die ab 2028 bedient werden müssen (rund 5 Millionen jährlich auf 29 Jahre), oder der Finanzierung der Schulneubauten über Mietzahlungen an die Stäwog (10-15 Millionen jährlich über 30 Jahre).
Koalition in der Verantwortung
Die Verantwortung für diese Entwicklung liegt bei der Koalition aus SPD, CDU und FDP. Die Kernaufgabe jeder Koalition liegt in der Aufstellung eines ordentlichen Haushaltes, der die Grundlage für die Arbeit der Verwaltung bietet. Grundsätzlich ist die finanzielle Ausstattung der Kommunen in Deutschland nicht auskömmlich. Aber Bremerhaven hat zumindest seit der SPD-CDU-Regierung 2015 und nochmals stärker nach der Entschuldung Bremerhavens 2019/20 (durch die damalige Grüne Finanzsenatorin Karoline Linnert) weiterhin derart sorglos Geld ausgegeben, dass jetzt drakonische Maßnahmen folgen werden.
Ein deutliches Beispiel für diese Sorglosigkeit ist der Anstieg der Beschäftigtenzahl des Magistrats. Während die Koalition aus SPD und GRÜNEN zwischen 2011 und 2015 den Personalbestand Bremerhavens um ca. 2 % erhöht hatte, haben SPD und CDU in der Legislatur 2015-19 das Personal um 13 % erhöht. In der darauffolgenden Legislatur haben SPD, CDU und FDP den Personalbestand um weitere 15 % erhöht. Und nach der Wahl 2023 hat die weiter regierende Koalition aus SPD, CDU und FDP den Stellenplan nochmals um knapp 15 % erweitert. Das bezieht sich alles nur auf das Personal des Magistrats ohne Schule und Polizei, die vom Land Bremen finanziert werden. Seit Antritt von SPD und CDU im Jahr 2015 ist der Magistrat also von 2.256 Stellen auf 3.364 Stellen angewachsen. Das sind in 10 Jahren ziemlich genau 50% Personalaufwuchs.
Dass SPD, CDU und FDP jeweils in den Haushalten unmittelbar nach den Wahlen 2015, 2019 und 2023 derart viele neue Stellen geschaffen haben, zeigt, dass diese drei Parteien die Personalkosten in die Höhe getrieben haben. Da waren ohne Zweifel auch dringend benötigte Stellen für Kitas, Jugendhilfe und Schulen dabei. Diese erklären aber bei Weitem nicht den Gesamtumfang der Stellenschaffungen.
Darum ist für uns GRÜNE + P klar: Die Verantwortung für die extrem bedrohliche finanzielle Schieflage der Stadt Bremerhaven tragen SPD, CDU und FDP. Weil diese Parteien sich seit 10 Jahren trotz einer bekannt schwierigen Haushaltslage in keiner Weise um fiskalische Vorsicht bemüht haben, fehlt der Seestadt jetzt das Geld für wichtige Aufgaben wie z.B. für die Familienzentren.
Das liegt nicht am Bremer Senat oder dem Bremer Finanzsenator, der lediglich festgestellt hat, dass Bremerhaven keinen rechtskonformen Haushalt vorgelegt habe, sondern an SPD, CDU und FDP.
Was dies Parteien schließlich von der wichtigen Aufgabe der politischen Beratung des kommunalen Haushaltes halten, haben sie übrigens bei den Aufstellungen der Haushalte 2024 und 2025 gezeigt, als sie die Mitwirkungsmöglichkeiten der Opposition in zum Teil grotesker Weise beschränkt haben. So erhielt die Opposition den Haushaltsentwurf für das Jahr 2025 gerade einmal drei Tage vor der Beschlussfassung in der Stadtverordnetenversammlung. Als dies in der Debatte kritisiert wurde, haben sich weder die Koalition noch der Kämmerer für dieses Verhalten entschuldigt, sondern dieses Vorgehen als ganz normal verteidigt.
Die Konsequenz
Am Ende stellt sich die Frage, ob die gegenwärtige Koalition noch dazu in der Lage ist, ihrer Kernaufgabe gerecht zu werden, das heißt mit einem soliden Haushalt die finanzielle Grundlage für das öffentliche Leben in der Stadt und die Arbeit der Verwaltung zu schaffen. Wir Grüne + P beantworten diese Frage mit Nein. Das sollte Folgen haben, die von der Umbildung der Koalition bis hin zu Neuwahlen reichen könnten.
Für Rückfragen: Claudius Kaminiarz, 0179 7312466
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