Haushaltsrede unserer stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Petra Coordes in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung vom 13. Juni 2024

Bremerhaven befindet sich finanziell in einer sehr schwierigen Lage. Seit ich Stadtver­ordnete bin – und das sind schon immerhin gut 13 Jahre – hat sich das nicht geändert. Ein kleines positives Zeichen war dabei die Nachricht, dass die jüngste Steuerschätzung, die die Einnahmeerwartungen der öffentlichen Kassen eher nach unten schraubte, für Bremerhaven recht stabile Zahlen präsentierte. Das Grundproblem in Deutschland und damit auch in Bremerhaven bleibt aber bestehen: Gerade arme Kommunen, wie unsere Stadt, verwalten nur den Mangel.

Es gibt ja Parteien, die gerne behaupten, der Staat habe kein Einnahme-, sondern ein Ausgabenproblem. Ich weiß nicht, ob irgendjemand in dieser Stadtverordnetenversamm­lung das für unsere Stadt behaupten würde? Ich tue das nicht. Ich sage: Das Einnahmeproblem Bremerhavens ist deutlich größer als das Ausgabenproblem – auch wenn wir letzteres nicht übersehen dürfen!

Der uns heute vorliegende Haushaltsentwurf ist ein deutliches Beispiel dafür, dass die großen Aufgaben, die für den Erhalt unserer öffentlichen Infrastruktur notwendig sind, nicht ohne Kredite zu stemmen sind. Ja, wir sprechen hier über Schulden. Denn über Steuererhöhungen, wie z. B. eine Reform der Erbschaftssteuer oder die Einführung einer Vermögenssteuer, will in diesem Land ja niemand reden!

Die gleichen Parteien – und damit spreche ich vor allem Sie an, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP –, die sich auf Bundes- wie auf Landesebene jeder konstruktiven Reform der Schuldenbremse entgegenstellen, legen hier einen Haushalt vor, der ohne Schulden nicht auskommt. Die dringenden Investitionen u.a. in Schulen und andere öffentliche Gebäude lassen sich ja gar nicht anders darstellen. Gerade unser Finanzminister von der FDP spricht ständig von Generationengerechtigkeit, wenn er gegen öffentliche Kredite wettert. Ist denn eine kaputte, im Unterhalt teure und klimaschädliche Infrastruktur generationen­gerecht? Wie sieht denn unsere öffentliche Infrastruktur nach 16 Jahren CDU-geführter Bundes­regierung und dem Tanz um die Schwarze Null aus?

  • Eine marode, ständig verspätete Bahn!
  • Ein Stromnetz, das ganz schnell, wie die gesamte Energieinfrastruktur, gigantische Investitionen braucht!
  • Ein Gesundheitssektor, der die Krankenhauslandschaft nicht mehr finanzieren kann!
  • Die Folgen des Klimawandels nehmen bis heute einige Parteien nicht erst, wenn es darum geht, Gegenmaßnahmen zu beschließen und zu bezahlen.
  • Und schließlich: Die chronisch unterfinanzierten Kommunen, denen das Geld für Schulen, Kitas, Turnhallen etc. fehlt.

Wer muss all das denn ausbaden? Die nächste Generation! Ist das generationengerecht? Nein, das ist es nicht.

Darum ist es politisch richtig, dass der Bremer Senat und der Bremerhavener Magistrat versuchen, zumindest im kleineren Rahmen mit investiven Krediten über eigene Gesell­schaften den Wert unserer öffentlichen Infrastruktur zu erhalten. Hier geht es vor allem um die „finanziellen Transaktionen, die nicht unter die Schuldenbremse fallen“, wie es in der Vorlage der Kämmerei heißt.

Diese Kredite werden auch deswegen benötigt, weil auf Landesebene der Bremer Klimafonds an einer überzogen engen Auslegung der Schuldenbremse gescheitert ist. Das war sehr bitter, weil dadurch hier in Bremerhaven wichtige Investitionen in Klimaschutz und Klimaanpassung verhindert werden. Dabei sind diese Investitionen in unsere Zukunft eigentlich unverzichtbar. Bremerhaven liegt direkt hinter dem Deich. Jeder Zentimeter, den der Meeresspiegel steigt, ist für uns eine reale Bedrohung.

Investitionen in Klimaschutz und Klimaanpassung bedeutet nicht nur, mehr Geld für städtisches Grün. Es bedeutet ein umfassendes Programm, das unsere Stadt fit macht für die nächsten Jahrzehnte!

Investitionen in Klimaschutz und Klimaanpassung stärken erstens die Sicherheit unserer Stadt – wir alle haben die jüngsten Unwetterkatastrophen noch vor Augen. Extreme Wetterereignisse kommen immer häufiger. Sie bedrohen nicht nur Gebäude, Straßen oder Autos. Sie sind zunehmend auch eine Gefahr für Menschenleben.

Zweitens geben Investitionen in Klimaschutz und Klimaanpassung der Bremerhavener Wirtschaft, ins­besondere dem Handwerk hier vor Ort, viele Aufträge. Sie sind somit auch eine effektive Förderung für den Wirtschaftsstandort Bremerhaven.

Und drittens brauchen wir solche Investitionen in den Erhalt oder die Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur. Etwas flapsig formuliert: Nach einer energetischen Sanierung, tropft es auch nicht mehr in die Turnhalle rein.

Ohne die Hilfe des Landes kann Bremerhaven Ausgaben in diesem Umfang aber niemals alleine stemmen. Weil der der Klimafonds auf Landesebene nicht kommt, können wir viele dieser Investitionen in Bremerhaven leider nicht angehen. Dabei wäre es am Ende billiger, jetzt vorbeugende Maßnahmen zu finanzieren, als später für teure Schäden zu zahlen.

Die zweite große Zukunftsaufgabe, in die wir investieren müssen, ist die soziale Stabilität unserer Stadt.

Präventiv denken müssen wir auch in der Sozialpolitik. Darum legen unsere Änderungs­vorschläge einen Schwerpunkt auf vorbeugende, unterstützende Maßnahmen. Wir wollen mehr Invest in die Seniorenpolitik und Altenhilfe. Die Entwicklung des Seniorenkonzeptes mit vielen guten Einzelmaßnahmen hat aufgezeigt, wie wichtig unterstützende Maßnahmen in diesem Bereich sind. Altersarmut ist ein Problem, dass zukünftig wachsen wird. Ebenso notwendig ist die Unterstützung der Schuldnerberatungsstellen, insbesondere im präven­tiven Bereich. Wir haben die höchste Verschuldungsquote im Land mit entsprechenden sozialen Folgen.

Einen weiteren Schwerpunkt müssen wir auf den Bereich Jugend und hier insbesondere auf die frühkindliche Bildung legen. Seit Jahren blicken wir mit Sorge auf die Ausgaben im Bereich der Hilfen zur Erziehung oder auf die wachsenden Zahlen bei den Inobhutnahmen. Um hier zu Verbesserungen zu kommen, die nur langfristig möglich sind, müssen mehr Mittel in die Präventionsketten fließen. Die Organisationsuntersuchung des Jugendamtes hat Defizite aufgezeigt, die entschlossener angegangen werden müssen. Wichtige Bausteine in der Prävention sind die städtischen Familienzentren und die frühen Hilfen. Hier sind Bedarfe beantragt, die nicht ohne neue Schulden gedeckt werden können. Da das dauerhaft nicht die Lösung sein kann, muss über monetäre Umschichtungen im Haushalt nachgedacht werden.

Wir haben vor Jahren erste Ansätze gemacht und ein Gutachten erstellen lassen, dass Möglichkeiten zur Umgestaltung in der kommunalen Arbeitsmarktpolitik aufzeigt. Gutachten aber können nur Wege aufzeigen, es Bedarf darüber hinaus immer einer politischen Entscheidung, die damals so nicht gewollt war. Aus unserer Sicht müssen wir den Dialog wieder aufnehmen mit der Zielsetzung, Mittel in die Jugendarbeit umzuschichten. Eine andere Möglichkeit wäre zu überprüfen, ob wir die Seniorentreffpunkte weiter städtisch betreiben sollten.

Diese Gedankenansätze können sich noch nicht in Änderungsanträgen wiederfinden, weil wir zunächst die Auswirkungen prüfen müssen.

Eingangs habe ich gesagt, dass Bremerhaven ein großes Einnahmenproblem hat. Es ist vor Jahren größer geworden nach einer Steuerreform, die vorsieht, dass Steuern am Wohnort und nicht mehr am Arbeitsort gezahlt werden. Für eine Stadt wie Bremerhaven mit ihrer hohen Einpendelquote gleicht auch der Länderfinanzausgleich solche Probleme nicht komplett aus.

Aber Bremerhaven hat auch ein Ausgabenproblem. Immer wieder fordern wir bei den Haushaltsberatungen, dass der Magistrat und die Koalition aus SPD, CDU und FDP sich aufgabenkritisch mit den Ausgaben im Bremerhavener Haushalt auseinandersetzen. Leider können wir das auch bei diesem Haushaltsentwurf nicht erkennen. Dabei rufen gerade CDU und FDP im Land ganz laut nach Einsparungen. Aber wenn sie selber in der Verantwortung sind, wie hier in Bremerhaven, kommt da wenig.

Wir fordern hier keinen finanzpolitischen Rasenmäher. Aber wir brauchen endlich mal ein Finanzcontrolling, das auch in den Ämtern die laufenden Ausgaben kritisch evaluiert und schaut, ob Mittel nicht umgeschichtet werden können, weil sie wo anders besser ausgegeben sind. Ich hatte bereits auf die kommunale Arbeitsmarktpolitik hingewiesen. Da haben wir zum Beispiel teure Parallelstrukturen.

Wir wissen, dass es in der Praxis ganz schwierig ist, die etablierten Ausgaben zu hinterfragen. Aber diese Anstrengung müsste eine Koalition in einer so armen Stadt wie Bremerhaven unternehmen. Gerne im Dialog mit der Opposition. Aber das bleibt wohl Wunschdenken. Das erkennt man schon daran, wie hier seit Jahren die Koalition in letzter Sekunde einen eigenen Änderungsantrag zum Haushaltsentwurf vorlegt, ohne je mit der Opposition debattiert zu haben. Zugleich werden alle Vorschläge von uns Grünen weggefegt, einfach nur, weil sie von uns kommen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir müssen mehr Geld in den kommunalen Klimaschutz und die soziale Stabilität unserer Stadt investieren. Wir machen mit unserem Änderungs­antrag hierfür konstruktive Vorschläge. Stimmen Sie diesen bitte zu. Für Bremerhaven wäre das gut.

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