Bremerhavener Verfassungsreform

Bremerhaven ist eine einzigartige Stadt mit einer einzigartigen Kommunalverfassung. Mit der großen politischen Gestaltungsmacht, die diese Verfassung uns Bürger*innen bietet, ist auch eine besondere Verantwortung verbunden. Denn die Stadtverfassung regelt die demokratischen Grundlagen unserer Stadtgesellschaft.

„Was wir heute entscheiden, wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten unsere Kommunalpolitik leiten“, betonen Julia Stephan-Titze und Claudius Kaminiarz, die als Kreisvorstandssprecherin und stellvertretender Fraktionsvorsitzender mit den Parteien der Regierungskoalition den vorliegenden Vorschlag für eine Verfassungsreform verhandelt haben. „Zentrale Bedeutung hat die Magistratsreform. Aber es geht bei dieser Verfassungsreform um mehr“, betont Stephan-Titze. „Es geht erstens um transparente politische Verantwortung, zweitens um politische Ehrlichkeit und drittens um die Stärkung der demokratischen Kultur. Verantwortung, Ehrlichkeit und demokratische Kultur sind für unsere Stadtgesellschaft enorm wichtig. Eine gute Verfassung kann hierfür den Rahmen abstecken. Mit Leben füllen müssen ihn die Bremerhavenerinnen und Bremerhavener und dabei sind insbesondere diejenigen gefordert, die in der Politik aktiv sind. Dass, soweit wir wissen, nun zum ersten Mal überhaupt eine Frau die Stadtverfassung mitgestaltet und diese Vereinbarung unterzeichnet, freut uns deshalb umso mehr“, führt Stephan-Titze aus.

Zum Inhalt der zwischen SPD, CDU, FDP und GRÜNEN getroffenen Vereinbarung zur gemeinsamen Verfassungsreform sagt Kaminiarz: „Die Idee der bisherigen Magistratsverfassung fanden wir nicht schlecht: hauptamtliche Dezernent*innen, die nach ihrer fachlichen Qualifikation bestimmt werden, und ehrenamtliche Dezernent*innen, die den politischen Willen der Stadt abbilden. Diese Idee wird aber schon lange nicht mehr gelebt. Darum ist es ehrlicher, den Magistrat auf neue Füße zu stellen:

Die Regierungsverantwortung wird klarer. Als wir Grüne vier Jahre mit der SPD regiert haben, war der Kämmerer, also der Finanzminister, durchgehend zugleich Vorsitzender der größten Oppositionspartei. Das ist nicht sehr effektiv und die politischen Interessen gehen schnell durcheinander. Die Magistratsreform sorgt hier für mehr Transparenz. Was der Magistrat entscheidet, steht auch wirklich in der Verantwortung der Regierungsparteien. Das ist auf kommunaler Ebene in Deutschland unüblich. Aber in unserer Stadt ist der Magistrat auch verantwortlich für Bereiche, wie Schule und Polizei, die überall sonst Landessache sind.

Gegengewichte zum Magistrat stärken. In Zukunft wird die Opposition nicht mehr im Magistrat vertreten sein. Real bedeutet das wenig Machtverlust, da ehrenamtliche Stadträt*innen der Opposition kaum Einfluss auf Magistratsentscheidungen haben. Allerdings haben sie Zugang zu Informationen. Davon profitiert aber die Opposition nicht als Ganze. Um diese Steigerung der Regierungsmacht im Magistrat auf anderen Ebenen auszugleichen, haben wir GRÜNE eine Reihe von Gegengewichten durchgesetzt:

  • Für Oppositionsfraktionen wird ein Oppositionszuschlag von 25 % des Grundbetrages eingeführt.
  • Ausschüsse werden künftig von Stadtverordneten geleitet. Die Ausschüsse werden von Stadtverordneten, in der Reihenfolge nach der Stärke der Fraktionen entsprechend, geleitet.
  • Das Quorum für Bürgerbegehren wird von mindestens 5 % auf mindestens 3 % gesenkt.
  • Das Jugendparlament erhält Verfassungsrang.
  • Die Möglichkeit geloster Bürgerforen wird in der Verfassung festgeschrieben.
  • Beschlossene Magistratsvorlagen (außer Personalvorlagen) werden in ein Vorlagenregister eingestellt, zu dem alle Stadtverordneten vertraulich Zugang bekommen.
  • Bei Besetzungen nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip (z.B. Ausschüsse, Ausschussvorsitze, Vorstand der Stadtverordnetenversammlung), wird künftig nach St.-Lague/Schepers verfahren. Das ist ein Vorteil für kleinere Fraktionen.

Diese Veränderungen stärken die direkte Demokratie, die Bürgerbeteiligung und das Mitwirken der Opposition. Wir sehen darin einen guten Ausgleich für die Machtkonsolidierung im Magistrat.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass die vorgelegte Vereinbarung zur Verfassungsreform eine politische Vereinbarung ist. Es gibt noch juristische Fragen, die noch von Expert*innen geklärt werden müssen, wie zum Beispiel die Ernennung der Dezernent*innen zu politischen Beamten.“