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KV BremerhavenGrüne Neuigkeiten

22.03.2015

Kulturelle Bildung als gemeinsame Handlungsstrategie für Schulen, Theater, Museen und freie Kultur in Bremerhaven

von Michael Frost, (Dezernent für Schule und Kultur)

Sowohl in der Kultur- als auch in der Bildungsplanung gewinnt die Diskussion über einen gemeinsamen Auftrag zur kulturellen Bildung einen immer größeren Stellenwert. Kultureinrichtungen suchen nach Zugängen zum Nachwuchs, und nach Jahren der Konzentration auf die so genannten Kernfächer besinnen die Schulen sich wieder auf die Potenziale der kulturellen Grundbildung.

Es wird verstanden, dass kulturelle Teilhabe die Grundlage ist für die Bewusstseinsbildung, einen Prozess, in dem Kinder und Jugendliche ihre Identität entwickeln. Deshalb müssen wir die Förderung von Kunst, Musik und Darstellendem Spiel in der Breite ausbauen. Dabei geht es um weit mehr als die Kenntnis der Farbenlehre, das Rezitieren eines klassischen Gedichts oder das Lesen von Noten. Bundespräsident Gauck formulierte die ganze Dimension kultureller Bildung für Heranwachsende treffend am Beispiel der Musik:

„Wenn Herz und Verstand zwischen Weltschmerz und Revolution hin und her schwanken, dann kann Musik neue Wege eröffnen und zu einem kostbaren Schatz im Leben werden. Im gemeinsamen Musizieren eröffnen sich Menschen ja nicht nur die Welten der Musik, der Kultur: Indem sie aufeinander hören, miteinander arbeiten, sich selbst etwas abverlangen, lernen sie eine Lebensform der Verbundenheit miteinander und die Bezogenheit aufeinander.“[1] (Zitiert nach: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Joachim-Gauck/Reden/2013/05/130526-Jugend-musiziert.html )

Damit ist der Bildungswert der Musik – über das reine Musikverständnis oder das Musizieren an sich hinaus – hervorragend beschrieben. Im Umkehrschluss verstehen wir das Ausmaß der so genannten Bildungsarmut in vielen Familien, in denen Eltern ihren Kindern nicht vorlesen, in denen kein Musikinstrument erlernt wird, in denen gemeinsame Theater-, Kino- oder Museumsbesuche genauso wenig zum Familienprogramm gehören wie die Mitgliedschaft in Sport- oder anderen Vereinen.

Der Auftrag der Schulen wie auch der Kultureinrichtungen, die kulturelle Bildung so zu fördern, dass auch Kinder, die solchermaßen von Armut betroffen sind, kulturelle Teilhabe genießen können, wird in dieser Situation umso größer. In Bremerhaven stellen wir uns dieser Herausforderung nicht nur in den Ganztagsschulen, sondern darüber hinaus etwa mit dem Kinder- und Jugendtheater, dem Jugendwerk für bildende Kunst und der Jugendmusikschule. Der Zugang zur Kultur, die kulturelle Teilhabe ist eine Lösungsstrategie für viele gesellschaftliche Fragestellungen, mit denen sich vor allem die Einrichtungen an den Schnittstellen zwischen Kultur und Bildung beschäftigen.

Kultur ist Menschenrecht.

Wir sprechen von kultureller Identität und meinen damit die Summe von Gebräuchen und Gewohnheiten, Erzähltem und Erlebtem, Werten und Normen, ein unser Bewusstsein prägendes kulturelles Erbe. Ein Blick in unsere Klassenzimmer zeigt dabei die Vielfalt der kulturellen Identitäten, die Schülerinnen und Schüler in den Mikrokosmos ihrer Klasse einbringen – darin sind sie ein Abbild unserer Stadtgesellschaft.

Das Recht, die eigene kulturelle Identität zu leben oder auch zu verwerfen und einander im interkulturellen Austausch zu begegnen, erfordert einen Gestaltungsrahmen, den die (Kultur)Pädagogik entwickeln muss, damit die Menschen kompetent und bewusst mit ihren Kulturen die Stadt gestalten können, in der sie leben. Eine solchermaßen definierte Urbanität entsteht nicht von selbst, sondern muss als kulturelles Gut betrachtet, gewollt und gepflegt werden, sagt der Stadtplaner Andreas Romero. Wenn, so Romero weiter, Urbanität nicht als gesellschaftlicher Auftrag begriffen werde, stehe mehr als der Verlust von Städten auf dem Spiel. Kultur und Bildung, kulturelle Bildung, werden zur Grundlage von Stadtentwicklung.

Die politische Funktion der Kultur liegt darin, sie als Mittel zur Partizipationsfähigkeit zu verstehen und zu nutzen. Kulturelle Teilhabe ist dafür das Schlagwort, und um sie zu gewährleisten, müssen Bildungsbarrieren überwunden werden. So formuliert es Ulrich Mokrusch, Intendant unseres Stadttheaters:

„Wer als Kind keine Berührung mit Kultur hatte, wird es als Erwachsener auch schwer haben, die kulturellen Codes für sich zu entschlüsseln. Fehlende kulturelle Bildung ist daher eines der größten Hindernisse zur wirkungsvollen kulturellen Teilhabe.“(Ulrich Mokrusch in: Festschrift für Uwe Lissau, Beiträge aus Justiz, Kultur und Wissenschaft, Bremerhaven 2012)

Mit meinem Amtskollegen aus Erlangen Dieter Rossmeissl würde ich ergänzen, dass Kultur nicht nur ein Teilhaben beinhalten darf, sondern unbedingt auch ein Teilgeben. Menschen nehmen an der Kultur nicht nur teil, sie geben auch. Partizipation beinhaltet auch das aktive Einbringen und nicht nur die passive Rezeption. Nur so wird Kultur zur tragenden Säule lokaler Demokratie, und nur dort, wo Kultur und Bildung das Zusammenleben der Menschen gestalten, bleiben „Pegida“ und Co. Randerscheinungen in zu vernachlässigender Größenordnung. Nur dort finden wir eine die demokratische Gemeinschaft schützende Antwort auf Bedrohungen aller Art.

Inklusion

Und so ist auch die soziale Funktion der Kultur hervorzuheben. Sie wurde, ausgehend von den sozialen Bewegungen der 1970er Jahre, unter dem Schlagwort „Kultur für alle“ postuliert. Inzwischen wissen wir aber, dass allein diese Proklamation noch nicht erfolgreich war, weil zumeist nicht zielgruppendifferent diskutiert wurde, welche konzeptionellen Veränderungen dies für die traditionellen Kultureinrichtungen bedeuten würde: Allein die sozial gestaffelten Eintrittspreise treiben die Menschen noch nicht in die Kultureinrichtungen. Diese Diskussion muss vor dem Hintergrund der Inklusionsdebatte neu aufgeworfen werden. Inklusion wird in Deutschland derzeit überwiegend nur als schulpolitische Fragestellung behandelt, oder sie wird auf die Schaffung barrierefreier Zugänge zu öffentlichen Gebäuden reduziert. In Wahrheit bedeutet die Inklusion einen gesellschaftlichen Paradigmenwechsel, weil sie die Vielfalt der Menschen als Grundbedingung der Gesellschaft formuliert und der Verschiedenheit der Einzelnen das gleiche Recht auf Anerkennung und gesellschaftliche Teilhabe (und Teilgabe!) einräumt. Inklusion beendet die gruppenbezogene Spaltung der Gesellschaft in Mehr- und Minderheiten und schließt daher auch aus, dass die eine Gruppe der anderen das Recht auf Teilhabe beschneiden darf.

Inklusion meint die freie Entfaltung des Individuums, und die Kultur mit all ihren vorgenannten Funktionen unterstützt uns sowohl bei der Entfaltung unserer eigenen, individuellen Persönlichkeit als auch bei der Anerkennung der Vielfalt und ihrer Verteidigung gegen Ignoranz und Diskriminierung. All das macht die kulturelle Bildung zu einer gemeinsamen Kernaufgabe für Bildungs- und Kultureinrichtungen. Im schulischen Kontext heißt das, dass  kulturelle Bildung weit über die regelmäßige Durchführung des Fachunterrichts in Kunst, Musik und Darstellendem Spiel hinausgeht. Für die Kultur wiederum bedeutet es weit mehr als die Erstellung schülerbezogenen Begleitmaterials für eine Museumsrallye.

Verantwortungsgemeinschaft von Kunst und Bildung

Heute, sagte der frühere Präsident des Deutschen Kulturrats Max Fuchs kürzlich bei einer Fachtagung im Bremer Theater, gebe es keine einzige Schule ohne Theater- oder Museumsbesuche. Es gebe auch keine einzige Kultureinrichtung, die nicht schon mit Schulen kooperiert hätte. Das gilt in dieser Form selbstverständlich auch für Bremerhaven, aber wohl auch diese Beobachtung:

„Allerdings wird der Grad der Zustimmung schon erheblich kleiner, wenn man fragt, ob es eine regelmäßige Zusammenarbeit zwischen beiden Institutionen gibt. Noch kleiner wird der Prozentsatz dann, wenn man danach fragt, ob es verbindliche Absprachen und möglicherweise sogar Kooperationsverträge gibt.“

                              (http://www.maxfuchs.eu/wp-content/uploads/2014/03/bremen.docx )

Fuchs entwickelt hieraus genau die Forderung nach verbindlichen Kooperationen, von denen wir in Bremerhaven erfreulicherweise inzwischen ein praktisches Beispiel kennen: Das Projekt „Partnerschule des Stadttheaters“, in dem sich mehr als 20 Bremerhavener Schulen und das Stadttheater zu einer verbindlichen Kooperation zusammengefunden haben. Vordergründig geht es darum, die Potentiale des Theaters, seines künstlerischen und pädagogischen Angebots nicht nur besonders theater-affinen Lehrkräften und ihren Klassen, sondern einer möglichst breiten Schülerschaft zugänglich zu machen und es mit den Bildungsplänen und Lernzielen der Schulen zu verzahnen. Doch dahinter verbirgt sich die Idee, dass auf kommunaler Ebene die Bildungs- und Kultureinrichtungen eine Verantwortungsgemeinschaft für die Bildung und Erziehung der Kinder und Jugendlichen in der Stadt begründen. Dieses Ziel formulierte der Deutsche Städtetag 2006 in der „Aachener Erklärung“.

Ich würde es begrüßen, wenn wir diese Verantwortungsgemeinschaft in Bremerhaven begründen würden und definieren würden, wie diese Kooperation zum Nutzen der Kinder und Jugendlichen, aber selbstverständlich auch zum Nutzen der jeweiligen Partner gestaltet werden kann. Es ist aus meiner Sicht durchaus legitim, wenn eine Kultureinrichtung wie das Theater oder ein Museum aus der Öffnung für die Zielgruppe der Schülerinnen und Schüler auch den Nutzen der Besuchergewinnung zieht. Gerade vor dem Hintergrund veränderter Freizeitgewohnheiten wäre diese Absicht ebenso verständlich wie auch der Hinweis auf die Bedingungen der Bildungsarmut, unter denen gerade in Bremerhaven viele Kinder aufwachsen, deren Familien am Kulturleben der Stadt nicht teilnehmen.

Umgekehrt müssen wir darüber nachdenken, wie Kooperationen mit Kultureinrichtungen die schulische Arbeit entlasten können, indem bestimmte Unterrichtsgegenstände durch den Kulturpartner – häufig authentischer und anschaulicher – abgedeckt werden könnten. Das kann die Ablösung der erwähnten „Museumsrallye“ durch eine themenspezifische Führung zu besonderen Fragestellungen bedeuten, für die eine engere Verzahnung von Kulturpädagogik und schulischem Curriculum erforderlich sein dürfte. Dennoch habe ich ein großes Verständnis dafür, dass Kultureinrichtungen nicht auf den „außerschulischen Lernort“ reduziert werden möchten. Ein Museum, ein Theater, eine Galerie, hat einen eigenständigen Auftrag, doch auch der kann Schülerinnen und Schülern zugänglich gemacht werden.

Mich hat in diesem Zusammenhang die Ausstellung beeindruckt, die eine Klasse vom Lloydgymnasium im Herbst 2014 im Historischen Museum über „Jüdisches Leben in Wesermünde“ realisiert hat. Die Klasse hat damit nicht nur den Bildungsplan im Fach Geschichte abgedeckt, sondern von den Fachleuten des Museums gelernt, wie eine Ausstellung entsteht, inhaltlich strukturiert, gestaltet und umgesetzt wird. Gleiches gilt für das Ausstellungsprojekt, das die Schule am Ernst-Reuter-Platz im Februar 2015 in der Galerie Goethe 45 realisiert hat. Schülerinnen und Schüler stellen ihre Kunst im öffentlichen Raum aus. Auch sie werden zu Ausstellungsmachern. Wer auf diese Weise kulturell fortgebildet wurde, wird selbst zu einem bewusster wahrnehmenden Museumsgast – ebenso wie die Schülerinnen und Schüler des SZ Carl von Ossietzky, die andere Besucherinnen und Besucher durch das Kunstmuseum führten und ihnen die Hintergründe zu einzelnen Werken erläuterten.

Der Forderung nach einer höheren Verbindlichkeit in der Verantwortungsgemeinschaft von Kultur und Bildung folgend, hat der Magistrat meinem Vorschlag zugestimmt, am Lehrerfortbildungsinstitut eine Fachberatungsstelle „Kulturelle Bildung“ einzurichten. Unser Ziel ist es, diese Stelle zum Beginn des neuen Schuljahres im Sommer 2015 zu besetzen. Die Stelle wird mit einem Projektmitteletat in der Höhe von jährlich ca. 25.000 Euro ausgestattet, so dass wir einen Grundstock haben, um Vorhaben der kulturellen Bildung zusätzlich umsetzen zu können – zusätzlich zu den vielen bereits bestehenden Angeboten, die wir künftig stärker miteinander vernetzen wollen.

Im Sinne einer gemeinsamen Strategie und der Begründung der Verantwortungsgemeinschaft werden wir zeitnah ein Rahmenkonzept für die kulturelle Bildung von Kindern und Jugendlichen in Bremerhaven vorlegen, dessen Leitlinien von den beteiligten Institutionen gemeinsam umgesetzt werden sollen.

 

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